专辑简介

Es soll Gitarristen geben, die sich – zur Unterstreichung der eigenen Coolness – besonders auffällige bis bizarre Gitarrenmodelle um den Hals hängen. Aber solche niederen Beweggründe kann man bei Timucin Sahin komplett ausschließen. Ihm geht es einzig und allein um die Erweiterung der musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten, die ihm die zwei Gitarrenhälse seiner Spezial-Anfertigung ermöglichen: einer davon mit, einer ohne Bünde. „Es ist ein sehr unkonventioneller Sound. Aber man muss erst sein Vokabular auf der bundlosen Gitarre beherrschen, bevor man loslegen kann“, so Timucin in einem Interview. Auf seiner zweiten CD bei Between the Lines (nach ‚Bafa‘, BTLCHR 71221, 2009) klingen erneut seine Einflüsse und Anregungen durch, die von seinem intensiven Studium der südindischen Musik und der Harmonik Ornette Coleman´s bis hin zu seiner Begeisterung für Rockbands von Led Zeppelin bis Van Halen reichen. Und doch werden sie nicht zu klischeeartigem Zitieren missbraucht, sondern erreichen uns subtil. Man muss schon genau zuhören, um die Geschichten, die Sahin erzählt, zu verstehen. Lässt man sich aber darauf ein, ist man gefesselt und fasziniert von den intensiven, detail-verliebten Erzählungen, aber auch von den plötzlichen Wendungen, dem sorgfältigen Spannungsaufbau durch ungewöhnliche Harmoniefolgen, und dem dann wieder von freier Assoziation dominierten Ausschmücken. Timucin Sahin, geboren in der Türkei, wanderte als junger Mann nach Holland aus, um ein Studium in Hilversum und Amsterdam zu absolvieren. Danach folgte ein weiteres an der Manhattan School Of Music. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen später lehrt er heute selbst, und seine vielen musikalischen Begegnungen mit anderen Jazzmusikern (Mark Turner, Greg Osby, Randy Brecker) bereichern unablässig sein eigenes Spiel. Und sicher tut dies auch die Begegnung mit einem neuen Erdenbürger: der frisch gebackene Vater widmet die Musik auf seinem neuen Album seinem Sohn. Bei seinem neuen Quintett greift Sahin auf zwei Positionen auf bewährtes Personal zurück: John O´Gallagher ist ein bei seinen Kollegen (Tom Harrell, Chris Potter, Maria Schneider…) hoch geachteter Saxophonist. Seine Zwiegespräche mit Sahin begeisterten nicht nur bei zahlreichen Festivalauftritten (North Sea Jazz Festival, Moers…), sondern überzeugen auch auf der CD. Die Intensität dieser musikalischen Unterhaltungen ist kaum zu überbieten, und die technische Raffinesse beeindruckend. Ein anderer langjähriger Kollege ist der zur Zeit vielleicht beste und vielseitigste Jazz-Schlagzeuger: Tyshawn Sorey. Er versteht Sahins Ideen schon bevor er sie spielt, und begleitet sie nicht nur, sondern befördert sie, treibt sie an, verleiht ihnen eine Dynamik, wie es nur ein Drummer seiner Klasse kann. Neu ist dagegen ein Bassist, dem man eine große Zukunft vorher sagen kann: Christopher Tordini. Mit Tyshawn Sorey spielte er bereits in anderen Formationen, wo sie gerade für ihr gemeinsames kreatives Potential immer von der Presse gelobt wurden. Tordini spielt kraftvoll, ohne plump zu sein, er phrasiert melodiös, ohne banal zu klingen – als Bassist ist er deshalb auch außerhalb des Jazz sehr gefragt. Man wird von ihm hören! Ebenso neu in Sahin´s Band: Ralph Alessi. Aber nicht neu bei Between the Lines – sein viel beachtetes internationales Debut gab er mit „Look“ (BTLCHR 71213, 2006), als Sideman war er 2012 auf Jeff Denson´s Release „Secret World“ erneut präsent (BTLCHR 71229, 2012). Dass er viel mit Steve Coleman und Uri Caine arbeitete, hat ihm ebenso viel Beachtung eingebracht. Mit seinem unglaublich präzisen, klaren Ton ist er eine fundamentale Bereicherung der Formation.